Dienstag, 5. November 2013

VENUS IM PELZ ///


Ludwig II. war ein Schöngeist, Träumer und Masochist. Der Märchen- könig von Bayern fühlte sich leidenschaftlich hingezogen zu Leopold von Sacher-Masoch und erachtete den österreichischen Schriftsteller gar als seelenverwandt, zu dessen Werken namentlich die Novelle »Venus im Pelz« zählt. 1870 erschienen, konzentriert sich die Handlung auf das Liebesverhältnis zwischen Severin von Kusiemski und Wanda von Dunajew. In seiner Abhandlung »Psychopathia sexualis« von 1886 analysiert Psychiater & Gerichtsmediziner Richard Krafft-Ebing diese spezielle Beziehung und begründet in Anlehnung an den Autor, wie auch im Falle des Marquis de Sade, die Begrifflichkeit „Masoch- ismus“, von der sich Sacher-Masoch Zeit seines Lebens distanzierte: Die Auffassung seines Textes als sexuelle Abweichung und darin die Interpretation einer Perversion waren ihm persönlich zuwider. Beabsichtigt hatte der Verfasser die literarische Darstellung wie Verarbeitung einer komplexen und tabuisierten Form der Lust, zu deren Gleichgesinnten beispielsweise König Ludwid II. zählte; öffenlich war dies jedoch nie bekannt.

In ihren Memoiren beschreibt Wanda von Sacher-Masoch, wie ihr Ehe- mann „in den ersten Novembertagen“ den ersten von mehreren leiden- schaftlichen Briefen erhält, allesamt unterzeichnet mit dem Namen Anatol. Es entwickelt sich eine schwärmerische Briefkorrespondenz zwischen den Sacher-Masochs und dem unbekannten Absender, der einem persönlichen Treffen nur auf mehrfaches Drängen des Ehepaars hin zustimmt und ferner die Bedingung stellt, dass Zusammenkünfte nur an geheimen Orten sowie im Dunkel stattfinden dürften: „Es war augenscheinlich, dass der Briefschreiber von einer Indiskretion viel zu fürchten hatte – und sie fürchtete.“ Weiters dürften sich die Eheleute nur voneinander getrennt mit Anatol treffen; nach Leopold schildert Wanda ihre anatol'sche Begegnung folgendermaßen: „Die Person, die an mich herangekommen war und jetzt neben mir saß, war entschieden nicht der Anatol, den Leopold gesprochen hatte; denn dieser hier war klein und, wie ich trotz der Dunkelheit wahrnehmen konnte, verwachsen, auch seine Stimme hatte den fast kindlichen Klang, wie ihn Bucklige haben, nicht tief und voll, wie die, die meinen Mann an Anatol so entzückt hatte. Wer war nun das wieder?“

Der (Brief-)Kontakt währt nicht mehr lange. Einen letzten, an- klagenden Abschiedsbrief von Anatol, worin er ihnen vorwirft, sie hätten nicht verstanden, geistig zu lieben und dadurch den Zauber zerstört, lässt das Ehepaar unbeantwortet; Jahre später entlarvt ein Zufall die Person, die sich hinter Anatol verbirgt. Im Sommer 1881 lernen die Sacher-Masochs in der Nähe von Passau einen gewissen Herrn Dr. Gandauer kennen: „Er war Arzt, praktizierte jedoch nicht mehr und war am Hoftheater in München als Regisseur angestellt. Er war ein großer Kunstkenner und Forscher (…). In einem Gespräch über Kunst erzählte er uns, was davon in den bayrischen Königsschlössern vorhanden ist, kam dabei auf die Kunstrichtung des Königs Ludwig II., von da auf die Seltsamkeiten desselben, die er vom Standpunkt des Arztes beurteile, sprach von dem Verhältnis des Königs zu Richard Wagner, von ihrem seltsamen Briefwechsel, der Scheu des Königs vor dem Verkehr mit Menschen, seiner Abkehr von den Frauen, dem Suchen der Einsamkeit, dem leidenschaftlichen, nie befriedigen- den Sehnen nach einer idealeren Ausgestaltung des Lebens. Wir lauschten gespannt auf alles, was Dr. Gandauer erzählte – es klang uns so bekannt – wir schauten uns an, und ein Name schwebte auf unseren Lippen: Anatol. Als der Doktor eine Pause machte, frug ich auf gut Glück: „Und wer ist der kleine verwachsene Mann, der, wie man erzählt, der Freund des Königs ist?“ „Ach, Sie meinen wohl den Prinzen Alexander von Oranien, den ältesten Sohn des Königs von Holland? Ein armer Schlucker, der.“

(Aus: »Meine Lebensbeichte«, Wanda von Sacher-Masoch)


„Ah, you know, it's some kind of trash novel“, kommentierte der kürzlich verstorbene Velvet Undergroundler Lou Reed einst den Hintergrund zum Lied »Venus in Furs«. 1969, zwei Jahre nach dem Bananenalbum, nahm sich auch der spanische Filmregisseur Jess Franco der Novelle an und verfilmte den Stoff unter dem Titel »Venus in Furs/ Paroxismus«. In den Rollen beispielsweise mit Klaus Kinski und Manfred Mann, der den Soundtrack zum Film schrieb, gilt die Ver- filmung heute als Francos Meisterwerk. In der Literaturadaption recht frei, wirkt das Werk weit über seine Vorlage hinaus: Im Film trägt die Protagonistin den Namen Wanda Reed.

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